Der letzte Vorhang

Theaterfreunde in der ganzen Region trauern um Regisseur Gerd Riffeser

12.01.2021

 

Am Schluss jeder Vorstellung holten seine Theaterleute ihren Regisseur Gerd Riffeser und seine für die Kostüme zuständige Frau Verena auf die Bühne, um ihn am Applaus teilhaben zu lassen und zu zeigen, wer Herz und Hirn dieser herrlichen Aufführungen war. Dieses Bild entstand 2019 beim Singspiel "An der böhmischen Grenz’" in Rabenstein. −Fotos: Frank Bietau/Bastian Mühling

 

Zwiesel/Rinchnach. Es war am Dreikönigstag, da spielten Laura und Vinzenz Riffeser ihrem Vater Gerd am Krankenbett mit Ziehharmonika und Horn vor. Als Riffeser die Musik hört, da geht ein Ruck durch den von der Krankheit geschwächten Körper. Gerd Riffeser summt die Melodien mit – , Theater, Literatur, Schule, Sport, Musik, Familie, das war sein Leben.

Ein Glücksfall für den Landkreis Regen war es, dass der junge Deutsch- und Sportlehrer Gerd Riffeser Anfang der 1970er Jahre an das Gymnasium nach Zwiesel kommt. Und dass sich Gerhard und seine Frau Verena Riffeser damals in ein altes Haus in Zapfenried (Gde. Rinchnach) verschauen. "Im Bayerischen Wald ist alles sehr ursprünglich, und dieser Eindruck blieb, als wir die Menschen kennen gelernt haben", sagte er vor knapp zwei Jahren in einem Interview mit dem Bayerwald-Boten.

Ein Glücksfallfür den Landkreis Regen war es, dass der junge Deutsch- und Sportlehrer Gerd Riffeser Anfang der 1970er Jahre an das Gymnasium nach Zwiesel kommt.

Der junge Lehrer beeindruckt seine Schülerinnen und Schüler mit seiner lockeren Art, mit seiner Jugendlichkeit. Und wenn er beim Sportunterricht an den Ringen den Kreuzhang vorführte und die Halbwüchsigen beim Nachmachen reihenweise scheiterten, da konnte er sicher sein, dass er als Vorbild den Ehrgeiz bei ihnen geweckt hatte.

Ganz gerade hatte ihn sein Lebensweg nicht in den Lehrerberuf geführt. 1945 ist Riffeser in Rosenheim geboren, väterlicherseits stammt die Familie aus einer Holzschnitzer- und Hoteliersfamilie im Grödnertal (Südtirol). Zu den Vorfahren mütterlicherseits gehört sein Urgroßvater Alisi Bach, Gründer des Rosenheimer Volkstheaters und Verfasser mehrerer Bühnenstücke. Weil Theater und Schauspielerei eine Leidenschaft von ihm war, bewirbt sich Riffeser nach dem Abitur an der Otto-Falckenberg-Schule, der Schauspielschule, die an die Kammerspiele in München angegliedert ist. Nur kurz bleibt Riffeser dort, entscheidet sich fürs Lehramtsstudium und kommt so ans Gymnasium Zwiesel.

Mit dabei hat er seine Begeisterung fürs Theaterspiel, und so dauert es nicht lange, bis er die erste Theatergruppe zusammengestellt hat. 1975 ist Premiere: "Die Ballade vom Heiligen Nepomuk" wird am Stadtplatz in Zwiesel aufgeführt. Zu den ersten selbstgeschriebenen Stücken, die er mit der Schultheatergruppe auf die Bühne bringt, gehört "Der Geißkopf". Es gibt Familien, in denen ein ganz kurzer Satz aus diesem skurril-valentinesken Stück noch Jahre später bei Tisch zitiert worden ist. "Mogst a Gurkerl?"

Er wagte sich mit seiner Truppe an klassische Stoffe, bearbeitete den Nibelungen-Stoff genauso wie die Odyssee, Peter Hauffs "Das kalte Herz" oder den die Erzählung "Der Sandmann" von E. T. A. Hoffmann. Die Verbindung zwischen Sport und Theater war für Gerd Riffeser eine ganz natürliche. "Und so gab es auch Spieler, die nicht über die Literatur-Schiene zu mir kamen, sondern über den Sport. Die haben gemerkt: Bei dem geht‘s um Power. Und das mochten sie", erinnerte er sich vor kurzem in einem Interview.

Und wie sie es mochten. Mit vielen seiner Schauspielerinnen und Schauspieler hatte er noch intensiven Kontakt, auch wenn die ihre Schulzeit schon Jahrzehnte hinter sich gelassen hatten. Perfekte Ergänzung für die Theaterleidenschaft von Gerd Riffeser war seine Gattin Verena, die mit unbändiger Fantasie und einem schier unerschöpflichen Fundus ebenso schrille wie passende Kostüme für die Inszenierungen zauberte. Auf etlichen Schultheatertagen in Bayern, Bremen, Dresden oder Wien sorgen die Inszenierungen für Furore.

Die große Gabe des Regisseurs Gerd Riffeser war es, unterschiedlichste Charaktere zu einem Ensemble wie aus einem Guss zu vereinen. Menschen, die noch nie zuvor auf einer Theaterbühne gestanden hatten, gingen unter seiner Anleitung aus sich heraus, wie man es nie erwartet hätte, wuchsen geradezu über sich hinaus.

Diese Fähigkeiten machten die Aufführungen in Rabenstein, bei denen er unter anderem das Stormberger-Thema auf die große Bühne am Dorfplatz brachte, zu einem riesigen Erfolg. Riffeser wird auch "Haus-Regisseur" im Schloss Buchenau, wo er das Schloss als Bühnenbild nutzt – und die Besucher bei seinen Inszenierungen vergessen lässt, dass Buchenauer Sommerabende auch knapp an der Frostgrenze kratzen können. Oder sie vergessen, dass sie in einer Zimmerer-Halle sitzen, wenn dort "Die lustigen Weiber von Windsor" gegeben werden. Eine Riffeser-Inszenierung in der Halle von Holzbau Dengler in Rinchnach.

Und dann war dann noch die Musik. Mit der "Marihuana Brass Band" zelebriert Riffeser über 45 Jahre lang und in diversen Besetzungen eine wilde Mischung aus Dixieland, Blues, Ragtime und Rock. Besonderes Vergnügen bereitet es Riffeser, der Trompete und Mundharmonika spielt, wenn ihn seine Tochter Laura am Keyboard begleitet.

Am Sonntag ist Gerd Riffeser verstummt. Im Alter von 75 Jahren ist der Pädagoge, der Sportler, der Musiker daheim im Haus in Zapfenried gestorben. Neben seiner Frau Verena und den Kindern Rebecca, Laura und Vinzenz mit ihren Kindern trauern viele, sehr viele Menschen um ihn, denen Gerd Riffeser in den vergangenen Jahren sehr viel Freude gemacht hat.

Michael Lukaschik